Prolog
Himmelfahrt. Ich bin so frei.
Warum eigentlich Vatertag? Und was machen sie daraus, aus „ihrem“ Tag, die Väter, die Männer?
Während meines Spätstücks höre ich Radio. Soundso viele Jugendliche seien in den vergangenen Jahren am Himmelfahrtstag im Krankenhaus behandelt worden auf Grund schwerer Alkoholvergiftungen.
Höllenfahrt.
Jeder von uns ist frei zu entscheiden, tagtäglich, in jedem Moment, jetzt, sofort, hier. Wann und wo sonst? Frei zu entscheiden, was er – und sie – an diesem Tag (und allen anderen Tagen) tut und lässt. Ob er nein sagt oder ja. Ob er Wodka in seine Kehle kippt oder Apfelsaft. Ob er sich sinnlos besäuft oder bei einer Tasse Tee oder Kaffee aus dem Fenster schaut, wo auch immer er sich gerade befindet. Und jeder ist so frei, mir bzw. meinen Worten zu widersprechen oder sie einfach wirken zu lassen, um darüber nachzudenken, ihnen eine Chance zu geben, sich zu entfalten, im eigenen Denkgebäude Anstöße zu geben, neue Wege einzuschlagen, andere Perspektiven einzunehmen, die eigene Welt der Wahrnehmung zu bereichern, Türen zu öffnen und Fenster, die sich ebenso wieder schließen lassen, öffnen, schließen ... den Rhythmus bestimmt der Leser, welcher Autor seines Lebens, seines Denkens und Handelns ist. Darauf habe ich keinen Einfluss.
Ich habe dieses Buch für mich geschrieben. Um mir selbst in einer Zeit großer Umwälzungen Halt zu geben, mir ein Konzept des Denkens zu erschaffen, in dem ich mit all den Widerständen und Anfeindungen in meinem Leben Frieden schließen kann, um ruhig zu werden, aus der Ruhe heraus Inspirationen zu empfangen, die mich aufbauen, ermutigen, erheitern, trösten, einen stets frischen Anfang zu wagen in den nächsten Tag, die nächste Stunde, den nächsten Moment.
Ich habe dieses Buch geschrieben, um mich stets in das Jetzt zurückzuholen, statt mich zu verlieren in Grübeleien um Vergangenes, das in seiner Chronik unendlich weit reicht, mich in „uralte“ Zeiten zurückversetzte, „frühere“ Leben, mir meiner Bedeutung bewusst werdend, meines Selbstwertes, der durch äußere Bedingungen, irrende Menschen ins Gegenteil verkehrt wurde, so dass die Frage, ob es einen Teufel gibt, mich bis in die Gegenwart verfolgt, ohne sie eindeutig beantworten zu können.
Die Frage, ob es einen Gott gibt, habe ich mir dagegen nie gestellt. So sicher bin ich mir seiner Existenz. Seiner Güte, Liebe, Treue, Weisheit, seines Humors. Für mich gibt und gab es nie einen Menschen, der diesen Gott in Person verkörpert. Wohl aber traf ich viele Menschen, die von sich zu glauben schienen, es zu können. Um diesen Glauben mit höchster, aber begrenzter Intelligenz in die Welt zu projizieren und Realitäten zu erschaffen, deren Kontrast zum wahrhaftigen Gott mich seine unendliche Liebe tiefer denn je in meinem Herzen empfinden ließ.
Ist Gott ein Mann, eine Frau? Für mich ist und bleibt er, ganz altmodisch, ein Vater. Der einzige Vater, auf den ich mich verlassen kann und will. Der einzige Vater, der hält, was er verspricht. Der einzige Vater, der sich keinen Fehler leistet.
Ich widme diesen Tag, den Vatertag, meiner Fahrt in den Himmel, ihm zu danken für seine Treue in einer für mich sehr schweren Zeit.
Jutta Riedel-Henck, 30. Mai 2019
aus: Freiheit (Arbeitstitel) von Jutta Riedel-Henck, 20. Oktober 2018 bis 11. Mai 2019