Wahre Liebe fließt in den Zwischenräumen der Glaubensgemeinschaften. Die Menschen suchen Gott im Toten, im Festhalten an Bildern, Formen, geschlossenen Räumen ihres Denkens. Sie perfektionieren ihre Kunst in Werken, um sie auf Bühnen zu präsentieren, im Applaus ihres Publikums den Glanz des Spiegels zu verwechseln mit dem Göttlichen, von dem sie glauben, so sei es. Doch was sie fühlen und darstellen, ist die Sehnsucht nach Gott, ohne je Erfüllung zu finden.
Der Größenwahn offenbart sich im Kontrollzwang, alles möge unter einen Hut zu quetschen sein, um es zu schützen, zu behüten, die Welt zu begrenzen und innerhalb der geglaubten Käseglocke zu retten. Angst vor Verlusten, Angst vor Diebstahl, Angst bestimmt das Miteinander hysterischer Helikoptereltern, für die alles von ihrem Glauben Abweichende einer Weltuntergangskatastrophe gleichkommt, das Alltägliche, Einfache, Banale zur Bedrohung wird, mündend in einer Sozialphobie.
Eine Elite hat dieses Treiben auf die Spitze getrieben, sich an oberster, vorderster Stelle glaubend, gefeiert als Genies, als dem Göttlichen am nächsten stehend, um nie den Absprung zu schaffen, da sie das Erleben der wahrhaft göttlichen Zwischenräume, des unbegrenzten Seins, als Abgrund verteufeln, um bis auf Weiteres auf dem Gipfel ihrer selbstgebauten Elfenbeintürme in Höhenangst auf die göttlichen Retter zu warten. So enden ihre Lebenswege erst im Tod mit der Erlösung.
Jutta Riedel-Henck, 2. März 2016