Das habe ich nicht so gemeint, das war mir nicht bewusst, so heißt es oft, wenn Menschen in Wortgefechten aneinandergeraten und sich uneins fühlen.
So selbstverständlich ist uns der Umgang mit Worten, der Ausdruck in verbalen Formulierungen, dass wir uns ihrer erst bewusst werden, wenn jemand deutlich zu erkennen gibt, dass er etwas anders verstanden hat als der Sprecher oder Schreiber es im Sinn hatte – oder auch nicht im Sinn?
Mit diesen Gedanken war ich spazieren gegangen. Gerade heimgekehrt, schnappte ich aus dem Radio den Satzfetzen „Ichbezogene narzisstische Gesellschaft“ auf und entgegnete in meinem Inneren: Ichbezogen? Dubezogen ist der Narzissmus!
Während ich nun darüber nachdenke, haben beide Bezüge ihre Richtigkeit. Denn das Ich zu formulieren wäre sinnlos ohne das Gegenüber: Du.
Ich und Du. Du-alität.
Wie schön sich vieles fügt, vielleicht auch alles, wenn wir stets aufmerksam wären für all die Zusammenhänge im Großen – und Kleinen.
Nachdem ich beschlossen hatte, darüber zu schreiben, während des Frühstücks in der Zeitung blätterte, vernahm ich staunend die Worte von Olli Schulz, der mir aus dem Radio entgegensang:
»Ich wünschte, ich könnte dich wegbringen von hier an einen Ort,
an dem wir aufhören zu streiten.
Wo wir uns nicht mehr weh tun, wirklich verstehen wollen,
uns ansehen und einfach nur schweigen.«
»Kinder der Sonne« ist der Titel dieses Liedes.
Die Suche nach einem friedlichen Ort, einem harmonischen Miteinander gäbe es nicht ohne den Streit. Und den Streit nicht ohne die Existenz der friedlichen Orte, des wahren Friedens.
Unbewusst geraten wir in Situationen, aus denen wir uns befreien möchten, gefolgt von einer Auseinandersetzung mit dem, das uns zuvor so selbstverständlich schien, dass wir nicht darüber nachdachten.
Von uns selbst auf andere schließend, das Du mit unseren Augen sehend, es in unsere Geschichte einbauend, erkennen wir durch das Unvorhergesehene, Ungeplante, Fremde, die für uns selbst nicht nachvollziehbare Reaktion des Außen, des Du oder Ihr, der Umwelt, dass es mehr gibt, und meist, vielleicht auch immer, empfinden wir diesen Moment als Angriff, zumindest erzeugt er ein Gefühl der Unsicherheit.
Unser Selbst darf wachsen! Unser Ich expandieren. Die alte Ordnung verliert ihre Gültigkeit, Neues kommt hinzu und verlangt die Umordnung des Ich-Systems.
Die verbale Sprache, der Umgang mit Formen, das Reflektieren über vertraute Formen unter Berücksichtung bereits erfahrener »Miss-Verständnisse«, bietet mir das schönste Werkzeug, um zu wachsen. Dem entgegen führt das Erleben von wortlosen Schwingungen, von Musik zurück an den Ort der Harmonie.
Die Vertonung verbaler Sprache bringt beides in ein Gleichgewicht, vereint Schwingung und Form, löst die Konturen des scheinbar unverrückbaren Wortgebildes und verleiht dem Ungreifbaren Halt, ohne es festzuhalten.
»Panta rhei«: Alles fließt.
Fest und flüssig. Gegensätze, die einander gehören.
So vieles, das es noch zu entdecken gibt.
Jutta Riedel-Henck, 28. April 2016
Ps.: Den Titel dieses Beitrages verdanke ich einem weiteren Lied, das ich beim Teekochen und Brötchenaufbacken aus dem funkenden Radiogerät »aufschnappte«: https://en.wikipedia.org/wiki/Boat_on_the_River