Wenn ich mich frage, warum ich auf die Erde gekommen bin, weiß ich es kaum in Worte zu fassen. Es ist wie eine Kriminalgeschichte, in der ich mitwirke, um gleichzeitig ihre Leserin zu sein.

Ich suchte, ohne es zu wissen. Wie könnte ich auch? Es wissen? Wenn ich suchte. In manchen Büchern heißt es, wir würden Pläne machen, bevor wir uns entscheiden, als physischer Körper geboren zu werden. Aber so ist es nicht. Ich weiß erst, was ich wollte, wenn ich lebte. Learning by doing. Und mein Leben baut auf meinen Leben des Gestern. Ungeplant.

In mir eine große Weisheit. Die nur größer wird. Schau ich zurück, erkenne ich mein Wachstum. Und freue mich, dass es kein Zurück gibt. Nur ein Weiter. Aus Fehlern lernen? Nein, aus dem Fehlenden kann ich nichts lernen. Nur aus dem, was ist. Was ich bin. Was ich tue. Aufgrund von Entscheidungen für etwas. Und das Für gewinnt an Kraft und Intensität, wenn ich Abstand nehme von dem, was ich nicht mag. Nachdem ich sah und erkannte.

Erst jetzt bin ich an einem Punkt, da ich genau weiß, was ich lernen will. Ganz bewusst. Voller Einsicht, dass dieses Ziel schon immer das meine war. Als sei ich aufgetaucht. Nach einer langen Reise in den Tiefen meiner Seele. Sie zu ergründen. Mich einlassend.

Ich habe aufgeräumt. Entrümpelt. Fühle mich wohl in meinem Keller. Laufe die Treppen ohne Widerwillen, mit Freude auf das, was mich unten – oder oben erwartet.

Was das sei? Mein Ziel? Niemand – außer ich – kennt es. Und niemand würde es verstehen, wenn ich es in Worten zu Papier brächte. Jeder würde nur sich selbst lesen. Dafür möchte ich meine Worte für mein Leben, für meine Ziele nicht zur Verfügung stellen.

Denn das tat ich lange Zeit, wenn ich all zu offen von mir schrieb. Es fühlte sich wie Freiheitsberaubung an, wenn gerade jene, die es vorzogen als bloß Denkende frei zu bleiben, sich meiner Worte bedienten, um darin einen Ausdruck ihrer Seele zu suchen.

Ich war nie eine Künstlerin, die zu be-eindrucken suchte. Kunst, die eines Publikums bedarf, um zu sein, verliert sich in der Illusion der Einigkeit. Jeder Mensch ist ein sich auf seine Weise ausdrückender Künstler. Ein Wesen mit schöpferischem Potenzial. Wenn er es vorzieht, sich von der Außenwelt be-eindrucken zu lassen, wird sich sein Innerstes nicht entfalten.

Jutta Riedel-Henck, 15. Oktober 2016

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