Frager: Lesen Sie in den täglichen Pressemeldungen?

 

JRH: Ja, aber sehr wenig. Ich überfliege einige wenige Zeitschriftenportale mehrmals am Tag und bemerke, dass ich mich dabei mehr schlecht als recht fühle.

 

Frager: Die Welt ist schlecht?

 

JRH: Nein. Weder schlecht noch gut. Wobei: Welche Welt meinen Sie?

 

Frager: Na, die Welt da draußen, von deren Ereignissen täglich in den Medien zu lesen, hören und sehen ist.

 

JRH: Da draußen. Und wer oder was ist drinnen?

 

Frager: Die gute heimische Stube? In der es genug zu essen gibt, während da draußen lauter Flüchtlinge um ihr Leben kämpfen müssen.

 

JRH: Welche guten heimischen Stuben meinen Sie genau?

 

Frager: Ihre zum Beispiel?

 

JRH: Meine gute Stube? Nun, ich habe es warm hier, zu essen ebenfalls genug. Platz zum Wohnen und Schlafen. Kleidung. Aber niemand garantiert mir, dass dies immer so bleibt.

 

Frager: Damit geht es Ihnen aber doch besser als all den Flüchtlingen?

 

JRH: Woher wollen Sie das wissen? Kennen Sie meine Gedanken, Gefühle, mein Leben, meine eigenen Unsicherheiten?

 

Frager: Nein, und die wären?

 

JRH: Das kann ich Ihnen nicht vermitteln, weder in Worten noch auf anderen Wegen.

 

Frager: Warum nicht?

 

JRH: Ich bin jetzt seit 54 ½ Jahren hier auf der Erde als Person, die aktuell den Namen Jutta Riedel-Henck trägt. Es ist mir während dieser Zeit noch nie gelungen, einem anderen Menschen zu vermitteln, wer ich bin, warum ich so bin, was ich empfinde, was ich tue.

 

Frager: Aber das sieht man doch, wer Sie sind! Und was sie tun oder auch nicht tun.

 

JRH: Sie sehen das, was Sie sehen und wahrnehmen. Das ist ein winziger Ausschnitt, und Sie alleine wählen Zeit, Ort und Schablone, um einen winzigen Teil von mir auf Ihre Weise wahrzunehmen. Wenn Sie glauben, das sei ich, muss ich Sie schwer enttäuschen.

 

Frager: Aber die vielen Flüchtlinge, die sehe doch nicht nur ich so!

 

JRH: Ich weiß nicht wirklich, was Sie sehen. Sie benutzen Worte, Sie nennen Menschen Flüchtlinge. Sie verallgemeinern, objektivieren, etikettieren einzelne Lebewesen, aber die Wahrheit ist das nicht.

 

Frager: Und die wäre?

 

JRH: Die Wahrheit? Ach, lieber Mann, da haben sich schon so viele Philosophen mit Worten zu vermitteln, zu verständigen versucht. Wenn die es nicht geschafft haben, Ihre Frage überflüssig zu machen, warum sollte das mir gelingen?

 

Frager: Warum nicht?

 

JRH: Ich kann Ihnen Ihre Frage nach der Wahrheit nicht beantworten, das können nur Sie selbst, deshalb.

 

Frager: Schade.

 

JRH: Warum schade? Lieben Sie es, wenn andere Menschen Ihnen sagen, was Sie wissen wollen?

 

Frager: Ja, durchaus. Ich kann nicht alles wissen. Jeder weiß etwas anderes.

 

JRH: Wenn Sie Wissen mit Worten gleichsetzen, mag das stimmen. Aber Worte sind nur Worte. Was Sie daraus machen, ist eine ganz andere Angelegenheit. Darauf habe ich keinen Einfluss.

 

Frager: Das glaube ich nicht. Angenommen, ich frage Sie nach dem Weg von A nach B. Dann können Sie mir doch in Worten erklären, wie ich dort hinkomme.

 

JRH: Sicher, aber nur, wenn die Worte, die ich benutze, einen Bezug zu A und B und den Wegen dazwischen haben. Und diesen Bezug müssen Sie und ich beide schon einmal erfahren haben. Sonst wüssten wir mit den Worten nichts anzufangen.

 

Frager: Wenn ich Sie aber nach dem Weg frage, heißt das, dass ich diesen Weg noch nicht gegangen bin, also auch keinen Bezug hergestellt habe.

 

JRH: So ist es. Lesen Sie eine Reisebeschreibung und treten Sie später die Reise selbst an. Sind die Beschreibung und Ihre erlebte Reise identisch?

 

Frager: Identisch vielleicht nicht, aber ähnlich. Es kann doch Gemeinsamkeiten geben.

 

JRH: Gemeinsamkeiten lassen uns hier gerade dieses Interview führen. Es scheint, als ob ich Ihre Fragen verstehe, so dass ich darauf antworten kann.

 

Frager: Es scheint? Verstehen Sie mich denn nicht?

 

JRH: Nein.

 

Frager: Sollen wir das Gespräch beenden?

 

JRH: Wenn Sie möchten?

 

Frager: Wieso ich? Sie sagen, dass Sie mich nicht verstehen! Ich verstehe Sie sehr gut!

 

JRH: Wirklich? Wie wollen Sie das wissen?

 

Frager: Wollen Sie mich verarschen? Können Sie nicht einfach konkret auf meine Fragen eingehen? Müssen Sie wirklich alles in Frage stellen?

 

JRH: Jetzt fehlt nur noch, dass Sie mir unterstellen, ich würde Ihren Fragen ausweichen und vor ungemütlichen Problemen flüchten.

 

Frager: Ja, das sehe ich durchaus so! Wie, bitte, würden Sie konkret mit der Flüchtlingsproblematik umgehen?

 

JRH: Wenn es um das Konkrete geht, sollten wir beide wirklich aufhören zu reden, denn das ist alles mögliche, aber konkret sicher nicht.

 

Frager: Gut, werden Sie konkret! Laden Sie ein paar Flüchtlinge zu sich nach Hause ein! Geben Sie etwas von Ihrem Essen ab!

 

JRH: Warum? Weil Sie das jetzt sagen?

 

Frager: Um ihnen zu helfen, Punkt!

 

JRH: Sie behaupten also zu wissen, womit allen Flüchtlingen geholfen wäre?

 

Frager: Nicht allen, nicht immer, aber mit Essen und einem Dach über dem Kopf ganz sicher, meinen Sie nicht?

 

JRH: Lieber Mann, ich weiß nicht, von welchen Flüchtlingen Sie reden. Und ich behaupte nicht, die Flüchtlinge zu kennen. Ich weiß noch nicht einmal, wie es dazu kommen konnte, dass in ihren Heimatländern Krieg herrscht und sich die Menschen gegenseitig bekämpfen. Ich weiß nicht wirklich, was die Menschen in ihrem Leben bisher gedacht, empfunden, getan und gelassen haben, und ich bilde mir nicht ein zu wissen, wie ich all diesen Menschen helfen könnte. Ein Dach, ein Stück Brot, das ist in meinen Augen ein Pflaster auf eine Wunde, deren Ursachen ich nicht kenne. Und mehr noch: Eine Wunde, die ich nicht verursacht habe!

Schauen Sie sich doch um oder sehen Sie allein die sich bekämpfenden Meldungen, Kommentare in der Presse! Die Unsicherheiten nehmen zu, nicht ab! Und warum? Weil sich lauter Menschen dazu berufen fühlen zu behaupten, dass sie helfen und dass bitte schön alle anderen ebenso zu helfen hätten.

Jahre um Jahre, Jahrzehnte um Jahrhunderte drücken sich massenweise Menschen um die Suche nach sich selbst, erwarten die Antworten darauf von anderen, gerühmten Rettern, die große Worte verlieren und in die Welt posaunen, und haben noch immer nicht gemerkt, dass dieser Weg in die Irre führt. Genau genommen sind das ALLES Flüchtlinge! Was sie sagen oder tun verstärkt das Flüchtlingsproblem!

Und da mache ich nicht mit.

 

Frager: Sie sind egoistisch. Kritisieren können Sie viel, aber wo ist die Lösung? Was haben Sie zu bieten?

 

JRH: Sie fragen mich, Sie persönlich. Und Ihnen persönlich, der Sie mich fragen, antworte ich gerne, und zwar folgendes: Beginnen Sie jetzt und hier bei sich selbst!

 

Frager: Wie, bitte?

 

JRH: Beenden Sie Ihre Flucht.

 

Frager: Ich flüchte nicht.

 

JRH: Dann beantworten Sie sich bitte alle Fragen, die Sie mir gestellt haben bzw. mir gerne stellen würden, selbst.

 

Frager: Es ist aussichtslos mit Ihnen zu diskutieren. Sie wollen mich nicht verstehen!

 

JRH: Nennen Sie es, wie Sie wollen, das tun Sie ja ohnehin. Ich möchte Sie nicht weiter auf Ihrer Flucht begleiten und beende somit meinerseits dieses Gespräch.

 

Frager: Sie machen es sich sehr leicht!

 

JRH: Wie heißt es in einem verbreiteten Ratgeber für Eltern? Ein Bestseller, nicht ohne Grund: Kinder brauchen Grenzen.

 

Frager: Hhoihg gheihei bnbnrijg gorh bheighr üb jenb heivb hei ioy xchnci bhdi eohgboh ....

 

JRH: ––––––––––––––––––––––––––––––

 

 

Jutta Riedel-Henck, 14. Januar 2016

 

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