Was meinst du, wer wird sich alles ärgern beim Lesen deiner Antwort auf die Frage „Das Beste“?

Ich nicht.

Du hast es ja auch selbst geschrieben. Ich meine, von den Lesern, den anderen, den Dus.

Wer sich ärgern wird? Jene, die sich von mir eine Aufwertung ihres Ichs erwarten?

Die in dir ihre bessere Hälfte suchen.

Zum Beispiel.

Gespaltene Menschen.

Menschen, die sich von sich entfremden, indem sie sich im Du suchen.

Es heißt ja, dass alles im Außen ein Spiegel von uns selbst ist.

Dem mag ich nicht vollkommen zustimmen.

Warum? Weil dir nicht gefällt, was du im Außen siehst?

Nein. Weil das bedeuten würde, dass ich mich nicht weiterentwickeln kann durch die Begegnung mit dem Du.

Auch wieder wahr. Es wäre eine Zwickmühle.

Das Zwickmühlen-Dasein scheint mir ein Merkmal des so genannten Narzissmus zu sein.

Menschen, die nur das suchen, was sie bereits sind, um sich im Zustand des Verliebtseins, des Wohlfühlens im bereits Bekannten, zu bestätigen, dass sie sind.

Gut formuliert. Nur: Warum brauchen sie diese penetrant wiederholte Bestätigung dessen, was sie bereits sind?

Weil es ihnen gefällt?

Offenbar.

Dann ist es nur Geschmacksache, ob einem diese penetrante Selbstgefälligkeit gefällt oder nicht?

Scheint so. Warum sonst sollten sie es tun?

Na, es heißt doch immer, Narzissten hätten eine schwere Kindheit gehabt, zu wenig Liebe, Aufmerksamkeit erhalten.

Zu wenig Aufmerksamkeit? Mir scheint eher: zu viel!

Aber keine Liebe um der Liebe selbst Willen.

Liebe um der Liebe selbst Willen ist die Basis unseres Seins, ohne sie wären wir nicht. Daran mangelt es niemand.

Wird aber ständig behauptet. Überall heißt es, die Menschen müssten lernen, bedingungslos zu lieben.

Quatsch. Niemand kann etwas lernen, was er ist, ohne dem er nicht wäre. Da gibt es nichts zu lernen.

Dann bin ich für einen Moment ratlos.

Wenn das alle wären, ratlos, gäbe es keinen Liebeskummer.

Und keine Therapeuten.

Ja, auch der Buchmarkt wäre überschaubar.

Und die Musikwelt erst!

Keine Dramen.

Was ist es dann, was den Narzissten zum Narzissten macht?

Hatten wir doch: zu viel Aufmerksamkeit.

Überbehütung?

Wenn du es so nennen willst. Aufmerksamkeit bedeutet zielgerichtete Gedankenenergie. Und in der werden die Kinder gebadet.

Du meinst übermäßig gebadet. Denn ganz entziehen kann sich dem wohl niemand oder?

Stimmt. Kinder zeigen durch ihr Verhalten sehr deutlich, wenn es ihnen zu viel wird.

Trotzphase, Pubertät.

Ja. Und nun schau dir mal den aktuellen Präsidenten von Amerika an.

Trotzphase.

Eben. Von einer Phase kann da aber keine Rede sein.

Das heißt, Narzissten sind chronische Trotzköpfe.

Ja, und nicht selten fällt das T vorne weg.

Rotzlöffel!

Zur Zeit wirkt er eher selbstzufrieden, schließlich mangelt es ihm nicht an Aufmerksamkeit.

Aber warum baden die Leute so gerne in Aufmerksamkeit?

Das kann ich auch nicht nachvollziehen. Vielleicht glauben sie, die anderen täten das für sie?

Wenn das so wäre, warum sind sie dann nicht zufrieden?

Weil es eben nicht so ist, ganz einfach. Alle Eltern, die behaupten, sie täten das alles nur, um ihr Kind zu fördern, verhalten sich selbstlos, während ihr Selbst unentwegt Forderungen stellt.

Versteckspiel.

Sie geben vor, ihr Selbst zu opfern, um dem Kind etwas zu geben, was es gar nicht braucht.

Und am Ende weiß keiner mehr, wer er selbst ist und wer der andere.

Ja, Ich und Du existiert hier nur noch als Wir.

Symbiose.

Scheinbar. Denn kein Ich lässt sich wahrhaft auflösen.

Wo bleibt es dann?

Oh, überall, meist da, wo es niemand vermutet, es will ja nicht erkannt werden.

Und dann beginnt die große Suche.

So ist es. Die Menschen machen sich zum Geheimnis, locken neugierige Detektive an und spielen „Hasch mich, du kriegst mich nicht“.

Und wenn kein Detektiv mehr kommt?

Oh, dann sind sie schwer beleidigt. Aber keine Bange, ihnen fällt immer etwas ein.

Trolliges Völkchen!

Rollig würde es auch treffen.

Dieses T ist ein interessantes Zeichen, auch im Großformat.

Galgen?

Und zugleich Dach.

Auf dass es keinen Schaden nimmt, sonst regnet es rein.

Jutta Riedel-Henck, 19.3.2017

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